Körpergebet „…und das WORT wurde Fleisch“ (Joh 1,14)
Hier klingt der weitergehende Schöpfungsakt an, wie einst aus dem Wort der Mensch ein lebendiges lebendes Wesen wurde (Genesis 2,7), beseelt mit ruach und geformt aus Erde. Im Körper kann diese ursprüngliche Einheit von Geist und Materie, von Wort und Fleisch immer neu erlebt werden. Davon zeugen die biblischen Erfahrungen unserer Glaubensmütter-und väter. Gott wird leiblich erfahren (z.b. Du stellst meine Füße auf weiten Raum, Ps 31,9) und der ganze Mensch, aus Fleisch und Blut verlangt nach Gott (Ps 63), streckt sich aus, hebt die Hände auf, hält Ausschau. Das Gebet mit dem Leib ist wie ein Einstimmen in den Ursprung aus Gott und in den weitergehenden Schöpfungsprozess.
Der ATEM
Das einfachste und immerwährende Körpergebet ist die Wahrnehmung des Atems. Der göttliche Atem durchströmt jeden Menschen. „in Gott leben, weben und sind wir“ (Apg 17,28). Jeder einzelne Atemzug verweist darauf wie körperhaft wir mit Gott verbunden sind. Der heilige Geist seufzt in uns (Rö 8,26). Diese innere Atembewegung, der ich mich immer überlassen kann, trägt auch da, wo ich keine Worte finde.
GEBÄRDEN
Dazu helfen auch Gebärden wie Frere Roger aus Taize bezeugt: Wieder einmal fragte mich ein junger Mensch, was das Gebet für ihn bedeuten könne. Ich erkläre ihm zunächst: Suchen Sie keine Antwort, die ihr Menschsein überspringt. Ich meinerseits wusste nicht, wie ich beten sollte ohne Einbeziehung des Leibes. … Es gibt Perioden, in denen ich den Eindruck habe, als bete ich mehr mit dem Leib als mit dem Geist. Ein Gebet auf dem bloßen Boden: niederknien, sich niederwerfen, den Ort betrachten, wo die Eucharistie gefeiert wird, die beruhigende Stille ausnutzen und selbst die Geräusche, die aus dem Dorf heraufdringen. Der Leib ist da, ganz gegenwärtig, um zu lauschen, zu begreifen, zu leben. Wie lächerlich, nicht mit ihm rechnen zu wollen“.
Gebärden haben eine Kraft in sich.
Die älteste Gebärde ist das Stehen vor Gott: „Hier bin ich“. Zum Stehen kommen, vor Gott, wie Mose am Dornbusch und wie die Psalmbetenden. „Hier bin ich“, im Jetzt. Der Körper hilft mir in der Gegenwart anzukommen, mit seiner Schwerkraft bin ich leiblich da, wo ich bin. Gedanklich oder gefühlsmäßig ist das oft anders, da weile ich in der Vergangenheit oder in der Zukunft, bleibe dort oft „hängen“. In der Gegenwart verweilen ist wie das Eintauchen in Gott, der sich als der Gegenwärtige am Dornbusch offenbart, „ich bin, der ich bin- da.“ Körperwahrnehmungsübungen und Körpergebärden helfen, gegenwärtig da zu sein. Hier gibt es einen großen Schatz der alten Kirche, die in neueren Bewegungen aufgenommen werden, aktuell im spirituellem embodiment1. Gebetsgebärden lassen etwas von Gott erfahren und führen zugleich auch zu einer neuen Selbsterfahrung. Sie vertiefen und verlebendigen das Gebet des Geistes. Schon kleine Bewegungen können zu geistlichen Erfahrungen werden. „Erhebt eure Häupter und seht auf“ (Lk 1,28) oder „ich erhebe meine Augen zu den Bergen….“ (Ps 121) , “kommt und seht“ (Joh 1,39) oder „stell dich auf deine Füße….“ (Hesekiel 2). Die körperlichen Bewegungen, sich ausrichten, gehen, stehen, zugreifen, werden zu Geisteshaltungen, zu einem inneren Geschehensprozess2. Ich gebe hier exemplarisch ein Körpergebet weiter, das ich seit langem bete und das ich in Anlehnung an Sebastian Painadath, das Sonnengebet, entwickelt habe. Die einzelnen Gebärden stehen für einen inneres Geschehen und der Ablauf für einen Weg der Hingabe.
Ich komme zum Stehen, spüre meine Füße auf dem Boden, Grund, der mich trägt und zugleich meine Aufrichtung zum Himmel hin. Meine Knie sind durchlässig, ich bin entfaltet in meiner ganzen Größe, in einer fließenden Qualität.
Hier bin ich, mein Gott, ich stehe im Raum deiner Liebe, ich stehe in deinem Licht
Ich öffne ich meine Hände vor der Leibmitte wie zwei Schalen zum Empfangen:
Alles empfange ich aus Dir: Aus Dir empfange ich mich, aus Dir empfange ich dich.
Ich strecke die Arme zu den Seiten weit auseinander:
DU führst mich ins Weite, heraus aus Angst und Enge,
Ich hebe ich die Arme über den Kopf, strecke mich nach oben hin aus:
Du erhebst mich, ich erhebe dich – erhebendes SEIN – zu Dir strecke ich mich aus
Ich lege ich die Hände aneinander und spüre mit ihnen rückwärtig nach hinten:
Es ist Raum! Auch da wo ich nicht hinsehe!
Ich neige mich zur Erde:
In Ehrfrucht neige ich mich zu deiner Erde
Ich lasse mich im Fersensitz nieder (oder im halben Kniestand)
Schenke mir die Gnade, mich Dir ganz zu lassen
Ich strecke mich ganz auf dem Boden aus (oder lege meine Arme vor mir auf den Boden und lege die Stirn ab)
Ich bin DEIN – ganz dein – ich kann nicht tiefer fallen als in deine Hände
Ich komme wieder zurück zum Fersensitz und von da aus richte ich mich wieder bewusst langsam, Wirbel für Wirbel auf und komme zum Stehen
Du richtest mich immer neu auf- in Deiner Kraft lebe ich
Ich führe die Arme nach oben über den Kopf, öffne meine Hände wie zu einer Blüte
Ich öffne mich für Deinen lichten Segen -fliesse gutes Gotteslicht in den Urgrund meines Ich
Ich führe die Arme langsam an den Seiten nach unten wie ein Segnungskreis zum Segensgebet:
Gesegnet in Dir deine Erde und alle Geschöpfe, die Elenden und die im Elend helfen, die Sterbenden und die Neugeborenen, die Kranken und alle die mir anvertraut sind, auch die mit denen ich mich schwer tue. Gesegnet in Dir alle, denen ich heute begegne.
In Dir gesegnete alles, was war und ist und kommt
Ich führe die Hände zusammen vor meinem Herzensraum, verweile spürend
An deinem Herzen gesammelt – daraus lass mich leben. Dank und Anbetung Dir
Die Gebetsworte sind Vorschläge, ich kann in jeder einzelnen Gebärde verweilen und spüren, was sich da in mir bewegt und welche Worte sich dazu in mir auftun. Das Gebet steht Ihnen auch als Audio/Video hier zur Verfügung.
– Pfarrerin Dr. Thea Vogt, Beauftragte der Ev. Kirche Bayern für die Ausbildung in christlicher Meditation
Ausbildungsleiterin
Dr. Thea Vogt
Meditationsbeauftragte der ELKB

In der Stille zieht das unendliche Geheimnis, das tiefste DU, den Menschen an.
martin gutl