Christel Felizitas Schmid

Die Gründerin unserer Communität, Christel Schmid (1892—1970), stammt aus Mittelfranken, einer mehrheitlich evangelisch geprägten Region in Bayern. Ihre Ausbildung als Erzieherin führt sie zu den Diakonissen nach Neuendettelsau. Die Lebensgemeinschaft mit der völligen Hingabe an Jesus Christus berührt sie tief. In der evangelischen Jugendarbeit lernt sie die Jugendbewegung und die christlichen Pfadfinder kennen.

Mit einer Freundin gründet sie 1924 eine Pfadfinderinnengruppe. In dieser Form der Jugendarbeit kann sie die Aufbruchsstimmung der Zeit und ihre Liebe zur Heiligen Schrift verbinden und ihre Berufung leben: die Liebe zu jungen Menschen und der drängende Wunsch, sie zu Christus zu führen. 1934 wird auch ihre Gruppe aufgelöst, und als Mitglied der Bekennenden Kirche trifft sie Berufsverbot. Dank ihrer Freundin findet sie Zuflucht im Ort Castell, wo sie 1942 im Geheimen erneut einen Pfadfinderinnenbund gründet. Einfluss auf die geistliche Suche der Gruppe haben die liturgischen Erneuerungsbewegungen und die Bücher von Dietrich Bonhoeffer. 1943 kommt es zu einer folgenreichen Begegnung: Christel Schmid lernt den Pater Theophil Lamm aus der nahen Abtei Münsterschwarzach kennen und damit die Welt der Benediktiner. Entgegen aller damaligen Realität wird es für Christel Schmid unmittelbar nach Kriegsende zur geistigen Gewissheit, dass sich Ordensleben in der evanglisch-lutherischen Kirche verwirklichen lässt.

Entstehung des Casteller Rings

Unter größter Geheimhaltung führt P. Theophil eine kleine Gruppe junger Frauen und Christel Schmid in die Benediktsregel ein und verhilft ihnen 1946 zu einem ersten Versprechen, das jährlich erneuert wird. Am 15. Februar 1950 beginnen Christel Schmid und Maria Pfister mit der Laudes das gemeinsame Leben nach der Benediktsregel. Das Charisma der Gründerin und das drängende Suchen der jungen Frauen lassen die Communität wachsen. Im folgenden Jahr entsteht die erste Lebensordnung für die Communität, die vom Bischof der bayerischen Landeskirche angenommen wird. Christel Schmid, die die Gemeinschaft bis 1968 leiten sollte, schrieb später im Rückblick: „Heute, nachdem ich einen Überblick über die Jahre habe, denke ich oft, dass es das reinste Abenteuer war, in das uns Gott gestürzt hatte. Da war eine Handvoll junger Mädchen, die in der Nachfolge Jesu Christi einen Einsatz suchten, der nicht alltäglich war. Ehelosigkeit, Gütergemeinschaft, Selbstverleugnung, Gehorsam, absolute Verfügbarkeit für die Sache Gottes und seiner Kirche waren ganz groß geschrieben. Und daraus entstand die Ordensgemeinschaft Casteller Ring …“ In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg entstanden noch weitere evangelische Ordensgemeinschaften wie die Darmstädter Marienschwestern oder die Communität Christusbruderschaft Selbitz. Die Konferenz evangelischer Kommunitäten in Deutschland wird heute von ca. 25 Gemeinschaften gebildet.

Gestalteter Alltag

In der Begegnung mit dem Benediktinertum erfuhr Christel Schmid, dass das, was sie suchte, längst Namen und Tradition hatte. Das zweckfreie Sein für Gott, wie sie es bei den Mönchen erlebt, beschreibt ihre bis dahin unklare Vision: in einer verbindlichen Gemeinschaft zu leben, die reiche Liturgie zu feiern und durch dieses Sein missionarisch für Christus zu arbeiten. So beten wir gemeinsam täglich viermal das Stundengebet der Kirche und feiern im Gottesdienst die Gegenwart Gottes in Wort und Sakrament. Die handgeschriebenen Gebetbücher der Schwestern, die die Tagzeitengebeten enthielten, werden 1972 durch das Benediktinische Antiphonale der Abtei Münsterschwarzach abgelöst. Wir feiern unsere Gottesdienste mit allen Sinnen und setzen neben Wort und Lied auch Formen aus der alten Kirche ein: Gewand, Kreuzzeichen, Verneigung, Ikone, Litanei, Weihrauch oder persönliche Segnung.

In Mörlbach, im Geburtsort von Christel Felizitas Schmid, wurde am 17. Dezember 2017 mit einem Festgottesdienst eine Gedenkstele zu Ehren der Ordensgründerin am Geburtshaus eingeweiht.

Die gemeinsame Lebensform macht den Schmerz der Trennung zwischen den Kirchen besonders deutlich. Ich empfinde uns und unsere Konvente als Grenzgänger. Grenzgebiete haben die Chance, ungewöhnliche Mittel und Wege zu finden. Verantwortungsbewusst und tapfer mit den Grenzen umzugehen benötigt Einsatz und führt schon mal zur Quadratur des Kreises. Grenzen können durchlässiger gemacht werden, ohne dass Trennungen schon überwindbar sind oder es sein müssen. Der eine Gott, der alles vielfältig erschaffen hat und selbst dreieinig ist, mutet uns Verschiedenheit zu, auch wenn es unsere Vorstellungen übersteigt. Ordensleben betont die eine Quelle und verkörpert Verschiedenheit und Vielfalt.

Foto von Ordensgründerin Sr. Christel Schmid